Dies ist der mittlerweile 40. Meine Bauchgefühle Blog, der etwas anders und viel privater ist, als die bisherigen. Diesmal erzähle ich von sehr verrückten Ereignissen, die ich Mitte August 2021 erlebt habe. Es geht dabei unter anderem um einen Fehler, den ich gemacht habe, darum wie aus einem Komfortzonen-Erweiterungsversuch eine Komfortzonen-Sprengung wurde, wie ein Tag voll von Tanz in einer schlaflosen Nacht induklusive Diebesjagd endete sowie die Verwunderung darüber, wie viele positive und negative Dinge gleichzeitig passieren können.
Da ich oft gefragt wurde, was genau passiert ist und dies eine längere Geschichte ist, möchte ich sie auf diese Weise etwas ausführlicher mit euch teilen. Einige Punkte wirken nahezu an den Haaren herbeigezogen und unglaubwürdig – was uns nur wieder zeigt, dass die Realität absurder als Fiktion sein kann und dass das Leben die „besten“ Geschichten schreibt. Also, legen wir los.
Alles begann ganz harmlos…
Komfortzonen-Erweiterungsversuch
Treffen sich ein russischer Tanzlehrer, ein ukrainischer IT-Experte, eine bulgarische Ingenieurin und eine deutsche Blondine (moi 😉). Was wie der Anfang eines schlechten Witzes klingt, war der Beginn eines verrückten und nahezu unglaublichen Wochenendes, das vieles auf den Kopf gestellt und mich einiges über Stress und Resilienz gelehrt hat.
Alles begann damit, dass mich eine Bekannte, die ich ein Jahr zuvor an einem ebenso schrägen Tag voller verrückter Synchronizitäten im Park kennengelernt hatte, gefragt hat, ob ich sie zum Tanzunterricht eines älteren ehemaligen russischen Tänzers begleiten wollte.
In der Vergangenheit hätte ich eine solche Einladung aus Unsicherheit und vielen anderen Gründen direkt abgelehnt. Da ich mittlerweile jedoch immer auf der Suche nach Möglichkeiten bin, meine Komfortzone auszuweiten und noch nie Tanzunterricht hatte, entschloss ich mich eines Tages, mitzugehen. Allerdings fiel genau an jenem Tag das Tanzen aus und fand erst einige Wochen später wieder statt. So viel zum Thema „Belohnung für mutige Entscheidungen“… 😉
Die folgende Tanzstunde hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir – Russe, Bulgarin, Ukrainer und ich – am Abend weiter tanzen wollten und uns für eine der öffentlichen Tanzveranstaltungen in München verabredeten. Auch dazu hätte ich früher wohl „nein“ gesagt, aber da das Wetter ausnahmsweise einmal richtig schön war, ich etwas Neues erleben, weitere tolle Leute kennenlernen und über mich hinauswachsen wollte, sagte ich zu.
Der erste Eklat
An dieser Stelle passierte der erste Eklat... Kurzfassung: Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen dem Tanzlehrer und einer Angestellten des Bereichs in dem wir getanzt hatten. Verschiedene Sprachen und kulturelle Hintergründe sowie persönliche Trigger führten dazu, dass sich die Situation immer weiter zuspitzte. Ich möchte nicht weiter ins Detail gehen – nur so viel: es wurde sehr unangenehm und ging so weit, dass zwei Polizisten einschreiten mussten.
Mögen die Tänze beginnen
Als wir abends an der Pinakothek der Moderne ankamen, wo die Tanzveranstaltungen normalerweise stattfinden, war seltsamerweise niemand vor Ort. Auf der Rückseite des Museums trafen wir jedoch auf eine andere Gruppe Tänzer, denen wir uns anschließen konnten. Ehrlichgesagt hatte ich das meiste, das ich in der Tanzstunde am Nachmittag gelernt hatte, schon wieder vergessen. Aber jeder Tanzpartner half mir geduldig mit den Schritten und wir hatten eine tolle Zeit.
Nachdem wir viele verschiedene Tänze getanzt hatten, zogen wir weiter zum argentinischen Tango am Königsplatz. Es herrschte eine wunderschöne Stimmung und es war sehr beeindruckend, den Tänzern dieses faszinierenden Tanzes vor solch einer wunderschönen Kulisse bei warmem Licht in einer milden Sommernacht zuzuschauen! Um 22 Uhr machten sich die anderen schließlich auf den Nachhauseweg.
Ich wollte noch etwas bleiben und wurde kurz darauf von einem netten Herrn zum Tangotanzen aufgefordert. Zunächst lehnte ich ab, weil ich diesen Tanz noch nie getanzt hatte und unter den anderen Tänzern nicht störend auffallen wollte. Der Herr versicherte mir jedoch, dass dies kein Problem sei und ich mich nur führen lassen müsse. Da mir genau das besonders schwerfiel, wollte ich es zumindest einmal probieren. Es war tatsächlich anders als bei den anderen Tänzen, aber dennoch eine große Herausforderung. Alles in allem hat es aber viel Spaß gemacht und war eine tolle Erfahrung.
Eigentlich war es bis dahin schon ein interessanter und ereignisreicher Tag für mich gewesen: Ein multikulturelles Sammelsurium neuer Bekanntschaften, meine erste Tanzstunde, tolle Tänze und sogar ein Eklat mitsamt Polizeiauftritt… Warum auch immer, sagte jedoch etwas in mir, dass ich noch mehr erleben, weitertanzen und weitere tolle Menschen kennenlernen wollte. Soweit so gut.
Allerdings hätte ich auf das, was danach passieren sollte, gut verzichten können…
Da ich nicht wusste, wo ich noch zum Tanzen hingehen konnte, ging ich wieder zurück zur Pinakothek, um zu sehen, ob die anderen, die ich bereits kannte, dort noch tanzten. Leider war niemand mehr vor Ort. Jedoch war auf der anderen Seite der Pinakothek mittlerweile viel los. Da ich dort allerdings niemanden kannte und es auch keine „organisierte“ Tanzveranstaltung war, entschied ich mich schließlich doch, wieder nach Hause zu fahren. Um diese wunderschöne Nacht noch etwas zu genießen, machte ich mich zu Fuß auf den Weg zur übernächsten Tramhaltestelle.
Und dann kam der Moment, der der Nacht die kritische Wendung gab.
Die kritische Wendung
Anstatt weiter geradeaus zur Haltestelle zu gehen, bog ich spontan rechts ab, um zu sehen, ob dort noch eine Tanzveranstaltung stattfand, da Lichter und Musik dies vermuten ließen. Plötzlich hörte ich ein freudiges „Hello!“ von einem sympathischen Typ mit Strohhut, der auf mich zu kam. Ich erwiderte dasselbe und fragte auf Englisch, ob wir uns kennen würden, da er mir bekannt vorkäme? Er verneinte und sagte, dass er aus Ecuador sei. Da es dunkel war, er einen Hut trug und ich niemanden aus Ecuador kannte, hatte ich mich wohl getäuscht.
Er war Ende 20, hatte kurze schwarze Haare und war sehr gut gelaunt. Er stellte sich als Juan vor und wir unterhielten uns auf Englisch, da er kaum Deutsch sprach. Juan fragte mich, ob ich mit ihm und seinen Bekannten zum Tanzen an der Pinakothek kommen würde. Ich verneinte und erklärte, dass ich schon auf dem Nachhauseweg sei. Er blieb jedoch hartnäckig und überzeugte mich. Immerhin war ich sowieso auf der Suche nach Leuten gewesen, mit denen ich dort tanzen konnte. Außerdem war ich neugierig, was Ecuador meinem bisher schon internationalen Tag noch mitgeben würde.
Juan und ich verstanden uns auf Anhieb super. Was ihn so interessant machte, war unter anderem, wie süß und gleichzeitig total cool er war. Eine tolle Kombination. An der Pinakothek trennten wir uns von den anderen und suchten einen Platz zum Tanzen. Wir legten unsere Taschen, Rucksack und seinen Hut auf dem Boden ab und begannen, daneben zu tanzen. Lustigerweise wurde dort hauptsächlich spanische Musik gespielt. Wir tanzten lange und selbst ein Laie wie ich merkte sofort, wie anders es ist, mit einem „echten Latino“ zu tanzen. 😉
Während des Tanzens haben wir immer wieder ein Auge auf unsere Sachen geworfen. Wir genossen die Nacht, die Musik und das Tanzen. Und dann passierte es: Beim nächsten Blick auf die besagte Stelle war außer Juans Hut dort plötzlich nichts mehr zu sehen...
Im ersten Moment wollte ich es nicht wahrhaben und schaute mich verwirrt um. Ich hoffte inständig, dass das alles nur ein Missverständnis war und jemand vielleicht nur alles zur Seite geräumt hatte. Aber unsere Sachen waren tatsächlich verschwunden. In mir zog sich alles zusammen. Ich verstand die Welt nicht mehr und in meinem Kopf brach das reinste Chaos aus. Ich war wütend und enttäuscht. Wieso hatten wir unserer Sachen auch nur eine Sekunde aus den Augen gelassen?! Da ich sie vor einigen Momenten noch gesehen hatte, mussten sie noch in der Nähe sein. Daher ging ich sofort los, um sie zu finden.
Verzweifelt lief ich auf und ab und fragte einige Leute, ob sie etwas gesehen hätten. Aber nichts…
Juan hatte nur noch seinen Hut und sein nahezu leeres Handy, das er in seiner Hosentasche trug. Alles andere – Schlüssel, Portmonee, Papiere etc. – war weg. Und alle meine Sachen waren fort: Schlüssel, Handys (dummerweise hatte ich an diesem Tag mein berufliches UND privates dabei), MVV Ticket, 17 Euro, meine Sonnenbrille, eine Glasflasche und und und. Glücklicherweise hatte ich jedoch keine Ausweise oder Karten dabei. Das einzige, das ich in diesem Moment noch an mir hatte, waren mein luftiges, kurzes, buntes Sommerkleid und meine Schuhe. Selten habe ich mich trotz Kleidung so nackt gefühlt.
Ich war völlig überfordert und wusste nicht weiter… Wie sollte ich denn jetzt nach Hause, geschweige denn in die Wohnung kommen? Wen könnte ich um Hilfe bitten, wenn ich kein Handy, Nummern oder Geld hatte? Was würden die Diebe mit meinen Sachen anstellen? Dies waren nur einige der vielen Fragen, die plötzlich durch meinen Kopf rasten. Was sollte ich denn jetzt nur tun?
An dieser Stelle überschlugen sich die Ereignisse.
Die Polizei, dein Freund und Helfer?
Zum Glück entdeckte ich eine Ansammlung vieler Polizisten an der beiliegenden Straße. Ein Anblick, der mich etwas beruhigte. Sie könnten uns sicher helfen! Mit Juan im Schlepptau marschierte ich schnurstracks auf sie zu und berichtete verzweifelt, dass wir gerade bestohlen worden waren. Allerdings reagierten sie kaum und sagten nur, dass wir zum Präsidium gehen und eine Anzeige aufgeben sollten. Ich konnte es nicht glauben. So weit konnten unsere Sachen ja noch nicht gekommen sein und die Polizei tat einfach NICHTS, um uns zu helfen, sie zu finden?!
Nach dieser Enttäuschung entschieden wir uns, erst einmal alleine weiter nach unseren Sachen zu suchen. In der Hoffnung, etwas wiederzufinden, gingen wir den ganzen Bereich mehrmals ab und fragten zudem einige Umherstehende, ob sie etwas beobachtet hätten. Leider vergebens… Es war sehr dunkel und noch dazu waren viele Leute dort versammelt. Also entschieden wir uns nach einiger Zeit doch, zum Präsidium zu gehen, das praktischerweise direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite lag.
Ich war so froh, dass Juan bei mir war und die ganze Zeit versucht hat, mich zu beruhigen. Alleine wäre ich wahrscheinlich noch überforderter gewesen und vollkommen ausgeflippt.
Eine nicht sehr nette Polizistin auf dem Präsidium half uns leider auch nicht weiter – und hat es nicht einmal versucht... Völlig gefühlslos meinte sie nur, dass wir eine Anzeige aufgeben, dies aber auch wann anders auf einem anderen Präsidium tun könnten. Am wichtigsten sei es, nach Hause zu fahren, um zu verhindern, dass der Dieb mit den Schlüsseln in die Wohnungen gelangen könnte. Wir sollten jemanden anrufen, der zu unseren Wohnungen fahren und dort aufpassen würde. Ähhh… Wie denn ohne Handy, Nummern oder Geld und mitten in der Nacht?!
Juan erzählte mir, dass er mit einer Mitbewohnerin zusammenwohnte, die jedoch gerade im Urlaub sei und auch er ohne Schlüssel daher nicht in seine Wohnung käme. Auch wüsste er niemanden, der zu seiner Wohnung fahren und dort nach dem Rechten schauen könnte.
Da es länger dauern würde, die Anzeige aufzugeben, wollten wir erst einmal weiter nach den gestohlenen Sachen suchen. Vielleicht hatte der Dieb die Wertsachen mittlerweile entfernt und den Rest weggeworfen. Beim Verlassen des Präsidiums trafen wir noch andere Leute, die ebenfalls gerade bestohlen worden waren.
Der Akku von Juans Handy war fast leer und ich kannte nur eine Nummer auswendig. Dort meldete sich jedoch – wie um 2 Uhr nachts nicht anders zu erwarten – nur der Anrufbeantworter. Ich hinterließ eine Nachricht, um die Nummer der Person zu erhalten, die am nächsten an meiner Wohnung wohnte. Diese Option war nun jedoch nicht mehr sehr vielversprechend...
Die Suche nach dem Dieb
Also entschieden wir uns, weiterzusuchen… Mir fiel ein, dass ich während des Tanzens jemanden in der Nähe unserer Taschen gesehen hatte. Ich dachte, dass diese Person dort Pfandflaschen einsammeln würde, die auf dem Boden abgestellt worden waren. Ich erinnerte mich vage an einen großen Typ mit weißem Shirt, wenigen, hellen Haaren und einer kurzen schwarzen Hose. Da uns nichts anderes übrigblieb, hielt ich zusätzlich zu unseren Sachen auch nach so einem Mann Ausschau. Man würde meinen, dass diese Beschreibung auf viele Leute zuträfe – dem war jedoch nicht so… Und wie hoch war überhaupt die Wahrscheinlichkeit, dass der Dieb sich weiterhin in diesem Bereich aufhielt?
Nach längerer Suche entdeckte ich jedoch jemanden, auf den diese Beschreibung grob zutraf. Ich schätze, dass der besagte Mann ungefähr Mitte 30 war. Er war sportlich, etwas größer als ich und trug zudem einen schwarzen Rucksack, ein umgedrehtes rotes Basecap sowie einen Basketball unter dem Arm. Ich war alles andere als sicher, dass es sich um denselben Mann handelte.
Aber was hatte ich zu verlieren?!
Da ich sonst keine Option hatte, sagte ich zu Juan, dass ich ihn ansprechen würde. Er meinte, dass das nichts bringen würde und wir weiter nach unseren Sachen suchen sollten. In meiner Ratlosigkeit wollte ich es jedoch zumindest versuchen und keine Chance auslassen, sie zu finden.
Hilfe von LKA und CIA
Ehrlich gesagt hatte ich KEINE Ahnung, was ich dem Typ sagen sollte. Aber ich war so verzweifelt, dass ich einfach auf ihn zuging und losredete. Wahrscheinlich war meine Hoffnung, dass er sich ertappt fühlte und auf mein Bitten hin die Sachen zurückgeben würde. Ziemlich naiv, aber okay…
Wie sich herausstellte, brauchte ich gar keinen Plan. Ich erzählte ihm, dass gerade alle unsere Sachen gestohlen worden waren und bevor ich noch etwas sagen konnte, unterbrach er mich und sagte beruhigend, dass es gut sei, dass ich ihn angesprochen hätte. Er sei nämlich Polizeipsychologe und Hacker beim LKA (Landeskriminalamt) und CIA und könne mir helfen, mein Handy aufzuspüren. Er könne sich in mein Handy – und meinen Kopf – hacken und so die Sachen wiederfinden. WTF?!
Ich dachte nur: „Ist das jetzt ein Scherz oder ein Riesenglück, dass ich genau den Typ angesprochen habe, der uns weiterhelfen kann?!“ Der Mann mit dem der Polizeipsychologe zusammenstand, fing an zu lachen und ich fragte ihn, warum er lache und ob das alles stimmte oder nur Blödsinn sei. Er meinte, dass alles, was sein Kumpel gesagt hatte, stimmte. Um uns zu beruhigen und zu beweisen, dass er legitim sei und die Wahrheit sagte, zeigte uns der LKA Typ auf seinem Handy seine Polizeipsychologen-Webseite.
Ich wusste nicht, ob ich das alles glauben sollte oder nicht. Einerseits klang es ziemlich verrückt und andererseits schien dies die einzige Chance zu sein, unsere Sachen aufzuspüren. In meiner Verzweiflung war ich bereit, nach jedem Strohhalm zu greifen. Daher fragte ich ihn, ob er mit zu den Polizisten auf der Straße kommen würde, mit denen ich vorher bereits gesprochen hatte, um das alles verifizieren zu lassen.
Er war bereit und so marschierten wir zu dritt zurück zu den Polizisten an der Straße. Ich erzählte diesen noch einmal, dass wir gerade bestohlen worden waren und der Polizist erwiderte nur kühl und abweisend: „Sie waren doch eben schon bei meinem Kollegen.“ Ich schilderte die aktuelle Situation und fragte, ob sie den Mann als Mitarbeiter des LKA verifizieren konnten. Sie fragten ihn nach seinem Ausweis, woraufhin dieser erwiderte, dass er nicht mehr im aktiven Dienst sei. Er hätte aber früher mit dem LKA zusammengearbeitet.
Dann wurde es immer wirrer.
Er sprach vom LKA, dann vom BKA und von der CIA. Der Polizist fragte, was er denn jetzt täte, wenn er nicht mehr im aktiven Dienst sei und unser Helfer/Verdächtiger antwortete, dass er jetzt Profibasketballer bei der NBA sei und hier an der Uni spiele. Das ging einige Zeit so hin und her. Gelinde gesagt, es war ein ziemlich verrücktes Gespräch. Um uns zu überzeugen und seine Geschichte zu belegen, rief er dann von seinem Handy beim LKA an, dessen Nummer er in seinen Kontakten hatte. Nach einigen einführenden Sätzen gab er dem Polizisten sein Handy und dieser sprach im Auto mit dem LKA.